Seefrauengarn vom 13.6.

Lange ist es her und viel ist passiert. Zwischendurch war ich schon nahe dran abzusteigen. Zuviel Willkür, zuviel bestreifte Kollegen, denen die Streifen augenscheinlich zu Kopf steigen und bei denen die Menschlichkeit auf der Strecke geblieben ist. Da bleibt bei mir dann der Respekt auf der Strecke. Manchmal kann man nur noch lachen.
Mein Mann hat mich für eine Woche besucht und das sorgte für zuviel Durcheinander an Erlaubnissen, Verboten, Ja von einer Seite, Nein von einer Anderen.
Das ist genau das Problem bei vielen Entscheidungen, die an Bord getroffen werden. Niemand möchte verantwortlich sein. Immer gibt es noch irgendjemanden, der über dem Ansprechpartner steht. Man schafft es nicht bis zum Ursprung. Deshalb wird oft über die Konsequenzen nicht nachgedacht. Und es werden längst überholte Regeln und Anweisungen fraglos übernommen. Da kann man als normal denkender Zivilist manchmal schon verzweifeln.
Aber alle anderen Kollegen aus der Crew sind wundervoll. Gestern hatte eine Kollegin aus Nicaragua Geburtstag. Wir haben eine Überraschungspaty geplant. Jeder hat versucht, irgendetwas bei zu steuern. Jemand hat eine Torte in der bordeigenen Konditorei geordert. Es gab Bier, Sekt (den die Geburtstagskollegin noch nie zuvor  getrunken hat) Nüsse und Chips. Nachdem endlich alle Dienstschluss hatten, haben wir uns in der Staffmess getroffen, alle Überraschungsutensilien drappiert und auf die Kollegin gewartet. Sie kam rein, alle haben gesungen und sie hat geweint. Sie ist an Bord, weil sie ihrem neunjährigen Sohn eine gute Ausbildung finanzieren will. Dafür lässt sie ihn 9 Monate bei ihrer Mutter. Er spricht nicht mit ihr am Telefon. Er wartet auf Weihnachten. Dann kommt seine Mama nach Hause. Da habe ich gut Lachen. Ich mache das wegen der interessanten Erfahrung. Und nur 4 Monate lang. Tatsächlich ist das eine interessante Erfahrung. Die Menschen der Crew werden  mir fehlen. Die Offiziere sicher nicht und die meisten Passagiere erst recht nicht. Letztere leben hier eine Woche in Fhloston Paradise. Sie denken darüber nach, wie toll das sein muss, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten. Sie nehmen gar nicht wahr, dass die Crew nur zum Arbeiten „oben“ ist und die restliche Zeit im Schiffsbauch verschwindet. Das Verständnis für Sonderwünsche oder für Gäste, die sich schon in der Früh betrinken sinkt gegen minus 100. Die Kollegen aus der Bar, dem Restaurant oder dem Housekeeping arbeiten teilweise 13 Stunden am Tag und können tagelang nicht an Land gehen. Da sieht dann die unromantische Sicht auf die Situation ganz anders aus. Für mich gibt es allerdings auch viele positive Aspekte. Ich habe ein schönes Atelier mit Tageslicht. Meistens nette Passagiere, die entspannt malen wollen und immer an Landtagen Freizeit. Heute sind wir in Piräus. Nach einem morgendlichen Drill habe ich das Schiff gen Strand verlassen. Dann hatte ich  ein ausgiebiges Bad im Meer und genieße  nun Scampi Saganaki und griechischen Salat mit einem Glas Weißwein. Hinter mir sitzen ein paar Passagiere, die mich aber Dank fehlender Uniform nicht erkennen. Einer überlegt glaube ich, wo er mich schon mal gesehen hat. Er mustert mich verstohlen. Das finde ich sehr amüsant.

Die Woche mit meinem Mann war letztendlich dann noch sehr entspannt. Ich habe versucht ihm alle schönsten Seiten der Orte zu zeigen und er hat die Seetage, an denen ich am meisten Arbeit habe, an Deck in der Sonne genossen. Seitdem habe ich auch eine andere Einstellung zu meiner Arbeit hier. Ich nutze jede freie Minute und versuche, mich nicht mehr soviel über die manchmal irrwitzigen Regeln aufzuregen. Mache meinen Dienst genau nach Vorschrift. Nicht mehr und nicht weniger. Die anfängliche Motivation ist leider auf der Strecke geblieben.

Außerdem habe ich festgestellt, dass das Meer die größte Faszination auf mich ausübt. Ich schwimme immer ausgiebiger und denke oft an einen daheimgebliebenen Freund, der immer vom Schwimmen im Meer schwärmt. Jetzt kann ich das nachvollziehen. Ich sende Dir von hier die allerliebsten Grüße, Matthias.

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